Das Zillertal ist eine Reise wert
Zillertal Bier, Österreich, modernisiert Flaschenkeller und nimmt neue Umpackanlage in Betrieb – ein Praxisbericht
Die Brauerei Zillertal Bier im österreichischen Zillertal ist unter vielen Gesichtspunkten eine Reise wert. Da wären zum einen ihre hervorragenden Bierspezialitäten. Hinzu kommt eine architektonisch überaus interessante Brauerei in einem der imposantesten Bergtäler Tirols. Und der Braufachmann findet interessante Lösungen sowohl im Marketing und der Produktion als auch im Verpackungsbereich. Seit Ende 2015 betreibt die Zillertaler Brauerei beispielsweise eine hochmoderne Umpackanlage für Open Baskets, die im Rahmen einer Flaschenkellermodernisierung neu entwickelt und installiert wurde. Ein Praxisbericht.
Warum gibt es im Tiroler Zillertal entweder rote oder grüne Kirchtürme? Ein Blick in die Historie löst das Rätsel: Die Türme jener Kirchen, die noch heute der Erzdiözese Salzburg unterstellt sind, schimmern wegen der kupfernen Schindeln in edlem Grün. Die Turmdächer auf der ehemaligen ärmeren „Brixner-Seite“, für die nun die Diözese Innsbruck zuständig ist, bestehen aus einfachen Ziegeln. Was aber das Tal auf beiden Seiten des Flusses eint, das ist das Zillertaler Bier.
16 Generationen Brautradition
Zillertaler Bier hat eine lange Tradition. Bereits 1500 bekam die Probstei in Zell am Ziller vom Erzbistum Salzburg das Recht verliehen, Bier und Branntwein herzustellen und auszuschenken. Im Jahr 1664 erwarb Josef Hochbichler, ein direkter Vorfahre der heutigen Inhaberfamilie, dann das „Polsingerhaus“ in Zell am Ziller und damit auch das Brau- und Brennrecht. Josef Hochbichler war damit der 1. freie Bierbrauer Tirols.
1738 wurde die Braustätte von Ludwig Hochbichler, dem Sohn von Josef Hochbichler, im Ortskern von Zell am Ziller an einen neuen Standort verlegt. In der darauf folgenden Zeit wechselten sehr häufig die Nachnamen der Inhaber, da die Brauerei oft über die Frauen weitervererbt wurde.
Nach dem 2. Weltkrieg begann mit dem sich entwickelnden Tourismus in der Region auch der wirtschaftliche Aufschwung der Brauerei. Nach mehreren Bauphasen entstand am Ortsrand von Zell am Ziller 2012 eine der modernsten Brauereien Europas, die mittlerweile in 16. Generation geführt wird und in der aktuell rund 50 Mitarbeiter beschäftigt sind.
Insgesamt stellt die Brauerei 12 sortentypische Bierspezialitäten her. Seit 2013 wurde das Sortiment um Spezialbiere in Großflaschen, die in einer eigens errichteten Kleinbrauerei gebraut und teilweise sogar in unterschiedlichen Barriquefässern ausgebaut werden, erweitert. Neben dem Vertrieb der Zillertal Bierspezialitäten wurde das Handelswarensortiment in den letzten Jahren stetig ausgebaut und um alkoholfreie Markengetränke, österreichische Qualitätsweine und Spirituosen erweitert. Ziel ist es, den Gastronomiekunden ein möglichst umfassendes Produkt- und Dienstleistungsangebot zu bieten. Die Brauerei konzentriert sich dabei auf die beiden Kernmärkte Tirol und Südtirol.
Erst integriert, dann zweimal umgezogen
Ebenfalls schon Tradition hat die Zusammenarbeit mit BMS. Deren Beginn datiert im Jahr 2005. Seinerzeit wurden zwei Packer und ein Portalpalettierer sowie mehrere Transporteure geliefert und am alten Standort integriert.
2009 startete die Verlagerung in den Neubau mit der Abfüllung. Übersiedelt wurden dabei unter anderem die beiden Packer sowie der Palettierer. Die komplette Planung und Realisierung mit Demontage, Montage und Inbetriebnahme inklusive neuer Transporteure setzte BMS schlüsselfertig um.
2015 begann Zillertal Bier dann damit, die anderen vom Altstandort übernommenen Maschinen wie Inspektor, Füller und Etikettierer auszutauschen. Gleichzeitig sollte die Abfülllinie zwischen Waschmaschine und Einpacker und im Pack- und Palettierbereich neu gestaltet und ausgeführt werden. Wiederum installiert und damit zum zweiten Mal „umgezogen“ wurden dagegen die beiden Packer und der Palettierer.
Für diese Neuinstallation mussten der Palettentransport verlängert und der Palettierer um 90° gedreht werden. „Der Umbau war notwendig, damit wir die vorgegebenen Laufrichtungen wieder nutzen konnten. Da freut man sich schon über flexible Partner“, blickt Braumeister Peter Kaufmann zurück. Durchgängig neu ausgeführt wurden in diesem Zuge auch die Transporteure sowie die Anlagensteuerung. Den 2015er Umbau mit Modernisierung plante und wickelte erneut BMS federführend ab. „Wir haben im Vorfeld sicher über 20 Varianten des Anlagenlayouts gezeichnet. Sie haben mit der Optimierung erst aufgehört, als sie wirklich die für uns optimale Bedienbarkeit bei geringstmöglichem Flächenbedarf erreicht hatten“, erinnert sich Kaufmann.
Servogesteuerte Drehung von Flasche und Basket
Parallel zum Modernisierungsprojekt vergab Zillertal Bier am 17.06.2015 eine Umpackanlage für die in Österreich sehr populären Open Baskets als eigenständigen Auftrag. Zu dieser Zeit wurden die Baskets noch händisch umgepackt, was aber einfach viel zu viel Aufwand bedeutete. Das Layout der Umpackanlage sowie das Projektmanagement führte BMS wiederum in Zusammenarbeit mit der Zillertaler Brauerei aus. Hardwareseitige Bestandteile des Auftrags waren zwei Portal-Packer sowie die notwendigen Transporteure für Flaschen und Open Baskets. „Für eine Umpackanlage braucht es einfach Portal-Packer. Schon allein deswegen, um unsere unterschiedlichen Gefache und Flaschenhöhen ohne großen Aufwand verarbeiten zu können“, begründet Kaufmann die Maschinenwahl.
Die zentralen Herausforderungen in der Aufgabenstellung lauteten: Die Umpackanlage war erstens auf einer recht begrenzten Fläche zu installieren. Das Einpacken der drei unterschiedlichen Flaschentypen sollte zweitens mit einer Etikettenausrichtung erfolgen. Gezielt gedreht werden mussten drittens dann auch noch die fertigen Baskets, da die aufnehmenden Pinolenkästen und Carrier Trays ganz unterschiedliche Lagenbilder vorgeben. Nicht zuletzt war laut Kaufmann Präzision gefragt: „Der Packer für die Baskets muss sehr exakt arbeiten, weil wir bei Kästen und Trays sehr enge Führungen haben. Wäre das nicht der Fall, könnte der Kartonträger verletzt werden, so dass einzelne oder sogar alle Flaschen herausfallen, wenn der Kunde das Basket heraushebt.“
„Durch die Portaltechnik sind das extrem flexible Maschinen“
Konkret geliefert wurden ab dem 06.11.2015 neben den Transporteuren Typ Unitrans ein Einpacker Unipack 2.0 für Open Basket 3 x 2 mit Etikettenausrichtung inklusive zwei Garnituren. Die Ausrichtung erfolgt über einen Lichttaster, der die Lage des Etiketts erkennt und dann über Servomotoren in den Packtulpen die Flaschen in die richtige Position dreht. Auf diesem Wege entstehen 0,5- und 0,33-Mehrweg (MW)- sowie 0,33-Einweg (EW)-Baskets. Die Nennstundenleistung beträgt bei allen drei Flaschentypen 833 Baskets.
Die befüllten Open Baskets setzt danach ein zweiter Einpacker Unipack 2.0 in Pinolenkästen ein oder auf Carrier Trays ab. Auch dieser Portalpacker wurde mit zwei Garnituren ausgeliefert. Er stimmt beim Umsetzen der Baskets deren Lagenbild vollautomatisch darauf ab, ob Kästen oder Trays verarbeitet werden. Beim Pinolenkasten lautet das vorgegebene Schema zum Umsetzen der fertigen Baskets beispielsweise zwei längs und eins quer. Beim Tray sind dagegen eins längs und zwei quer aufzusetzen. Dazu nimmt der Portal-Packer alle Baskets im Längslauf vom Einlauftisch ab. Beim Übersetzen wird das entsprechende Basket vom Portalpacker über Servomotoren in das geforderte Lagenbild gedreht. Das Ergebnis sind 0,5-Pinolen 3 x 6, 0,33-Pinolen 4 x 6, 0,5-Carrier Tray 6 x 6 sowie das 0,33-Carrier Tray mit einem 8 x 6-Schema.
„Durch die Portaltechnik sind das extrem flexible Maschinen. Wir können jederzeit auch andere Flaschenformen und –höhen oder neue Verpackungsgrößen verarbeiten. Das ist einfach höchstmögliche Investitionssicherheit“, hebt Kaufmann hervor. Mit der 0,5-MW-Flasche liegt die Nennleistung bei 277 Kasten/h und beim Tray 138/h. Bei der 0,33-MW- und 0,33-EW-Flasche werden beim Pinolen 208 Kasten/h und beim Tray 104/h erreicht.
Als Stand-Alone-Lösung im Logistikbereich angesiedelt
Die Montage startete am 24.11.2015, die Inbetriebnahme folgte ab 11.12.2015. Seither bewährt sich die Umpackanlage im harten Praxisalltag. Sie ist dabei nicht an die Abfüll-Linie angebunden. Sie wurde vielmehr als Stand-Alone-Lösung im Logistikbereich angesiedelt. „Viele packen in der Abfüll-Linie um. Wir wollten das nicht. Wenn man in die Baskets umpackt, müssen die Flaschen zum Beispiel absolut trocken sein. Sonst klebt alles innen an, die Flaschen fangen an zu schwitzen oder das Etikett verschiebt sich. Im Abfüllbereich ist diese Trockenheit einfach viel schwerer darzustellen“, erklärt Kaufmann.
Noch weitere gute Gründe sprechen für die Verlagerung: Werden wie im Zillertal sehr viele Sorten im Basket verkauft, müsste bei einer integrieren Lösung ständig umgestellt werden, wäre der gesamte Abfüllrhythmus durch die Umpackaufgaben nachhaltig gestört. Das Umpackvolumen ist ebenfalls nicht immer exakt zu planen. Die Brauerei stellt also gegebenenfalls Waren her, die sie nicht benötigt. Oder: Sie muss zu einem ungünstigen Zeitpunkt nachproduzieren. „Mit unserer Anlage packen wir dagegen dann um, wenn wir es wirklich brauchen, können genauer planen und habe einen höheren Wirkungsgrad. Für uns ist das die ideale Lösung“, unterstreicht Kaufmann.
Eine Lösung, die über den eingerichteten Teleservice auch rasch an kommende Herausforderungen anzupassen ist. Beispielsweise können die Parameter einer neuen Verpackung mittels Computersimulation getestet und anschließend das fertige Programm übers Wochenende via Internet in den beiden Portalpackern aufgespielt werden. Zum Produktionsstart am Montag stehen die neu konfigurierten Packer dann bereits in den Startlöchern. Doch zurück zum Hier und Jetzt, zur Bilanz nach über einem Jahr Praxiseinsatz. Peter Kaufmann fasst zusammen: „Wir sind sehr zufrieden mit der Maschinentechnik, der Planung und der Abwicklung. Auch wie unsere Ideen aufgegriffen und umgesetzt wurden, war vorbildlich. Wir als Mittelständler haben einfach auf Augenhöhe gut zusammengearbeitet. Gerade mit Blick auf andere Anbieter, die eher den Kunden ihren Systemlösungen anpassen wollen, war und ist das für uns ganz entscheidend.“
Erschienen in: Brauindustrie / Mai 2017