Multifunktionale Umpack- und Sortieranlage leistet mehr als 40 Schichtarbeiter

„Wir sind froh, sie jetzt endlich zu haben“

Dass früher alles besser war, ist sicherlich mehr Gerücht denn Wahrheit. Mit Blick auf die Gebindesituation einer Brauerei war es damals aber zumindest eins: einfacher. Einen Kasten rot und eine Flasche braun galt es zu managen. Mit zunehmender Individualisierung hat sich das grundlegend geändert. Immer mehr muss umgepackt, sortiert werden. Lösten selbst große Brauereien diese Herausforderung lange Zeit mit Handarbeit, geht der Trend heute zu kombinierten Umpack- und Sortieranlagen. Ein aktuelles Beispiel einer solchen „eierlegenden Wollmilchsau“ wird im nachfolgenden Artikel vorgestellt.


Kombinierten Umpackanlage und Sortieranlage von BMS Herzstück der kombinierten Umpack- und Sortieranlage ist ein sehr kompaktes und multifunktionales Umpackmodul.
Am Anfang stand – wie so oft – auch an diesem Standort eines deutschen Braukonzerns das manuelle Umpacken. Zuerst unter einer zugigen Überdachung, danach in einer eigens gebauten Halle. Nicht weniger als 80 Hände pro Schicht waren in Spitzenzeiten rund um die Uhr notwendig, um der Gebindeseite einigermaßen Herr zu werden. Zumindest vorübergehend. Dann stieß selbst solch große Manpower an ihre Grenzen. Mehr und mehr Kästen gingen an andere Konzernstandorte, wurden dort umgepackt. Eine maschinelle Lösung sollte verständlicherweise die Situation langfristig entschärfen.

 


Ein wesentlicher Baustein dieses „Biercampus“ ist die enge Zusammenarbeit zwischen Lehre und Brauerei. So wurden in den Gebäuden der Staatsbrauerei unzählige wissenschaftliche Arbeiten durchgeführt. Und ohne die Brauerei gäbe es auch keinen Hörsaal 13, der ob seiner inspirierenden Aura eine Legende ist – das Weihenstephaner Bräustüberl.

 

Kombinierten Umpackanlage und Sortieranlage von BMS Das kompakte und multifunktionale Umpackmodul UNIMODUL.

Maximale Funktionalität auf minimaler Fläche

Zuerst war angedacht, sowohl eine Sortier- als auch eine Umpackanlage zu realisieren und sie direkt an die Abfüllung beziehungsweise den Lagerbereich anzubinden. Beide Projekte wurden auch getrennt voneinander gestartet, wobei BMS bereits involviert war. Je länger sich alle Beteiligten aber mit ihren ersten Ideen beschäftigten, desto klarer wurde, dass eine kombinierte Umpack- und Sortieranlage die bessere, weil zukunftsgerichtete Lösung darstellt. Aber auch die anlagenseitig wesentlich komplexere.

Für einige Anbieter war dies zu viel an Funktionalität für die vorhandene Bestandshalle. Mit BMS ging die Brauerei stattdessen einen anderen Weg. Gemeinsam wurden die gegebenen Restriktionen und Möglichkeiten in ein langfristig tragbares Ergebnis überführt. Selbst bei der eigentlichen Realisierung wurde noch optimiert. Sichtbares Zeichen: Zum Schluss waren es sicherlich 70 bis 80 Layouts, die zusammen entwickelt und gezeichnet wurden. Interessantes am Rande: Es war bereits das sechste Projekt der beiden Partner. Das Spektrum umfasst dabei die reine Maschinenlieferung genauso wie die komplexe Gesamtanlage inklusive Layout und Abwicklung.



BMS Be- und Entlader in PortalbauweiseBeim reinen Sortieren ist das Modul nicht in Betrieb. Im Hintergrund zu sehen ist der Be- und Entlader in Portalbauweise.
Hauptaufgabe: kombiniertes Umpacken und Sortieren von 11 x 0,5-l-Leergut und 20 x 0,5-l-Vollgut

„Step by step“ und in einem gemeinsamen „Ping-Pong“-Spiel zwischen Brauerei und Anlagenbauer entwickelte sich so die heutige Umpack-und-Sortier-Lösung, welche die nachfolgenden Aufgaben abdecken kann.

Erstens und als Hauptaufgabe - das kombinierte Umpacken und Sortieren von 11 x 0,5-l-Leergut und 20 x 0,5-l-Vollgut. Das zu sortierende Leergut wird dabei über den 11er-Kasten in die Anlage gefahren, die Flaschen ausgepackt und sortiert. Gleichzeitig wird 20 x 0,5-l-Vollgut entpalettiert und anschließend im Unimodul umgepackt, d.h. die leeren und gewaschenen 11er-Kästen werden mit Vollgut bestückt. Die leeren 20er-Träger laufen zum Hauptsorteneinpacker, der sie mit dem sortierten Leergut belädt.

Die zweite Aufgabe ist das Sortieren von 20 x 0,5-l- sowie 24 x 0,33-l-Leergut. Bei diesem Programm ist das Umpackmodul nicht in Betrieb. Für den Wechsel des Flaschen- und Kastentyps sind lediglich die Pack-Köpfe und Programme zu tauschen.

Sortieranlage von BMS FlaschensortierungDer Flaschenstrom wird in zwei Hauptsorten und vier Nebensorten plus einer als „Lumpenband“ bezeichneten fünften Option aufgetrennt.
Beim Sortieren des 0,5-l-Flaschenstroms wird dieser in zwei Hauptsorten und vier Nebensorten plus einer als „Lumpenband“ bezeichneten fünften Option aufgetrennt. Vergleichbares geschieht bei der Sortierung des 0,33-l-Leerguts, wobei eine deutlich geringere Flaschenvielfalt abzuarbeiten ist. Der Hauptsorteneinpacker ist leistungsbedingt mit drei Abnahmestellen ausgestattet. Zwei Positionen belegen dabei die erste, eine die zweite Flaschenhauptsorte. Diese Zuordnung ist aber jederzeit und ohne Einschränkung neu zu definieren. Der Auspacker erhielt einen speziellen Tulpentyp, mit denen er alle relevanten Flaschen sicher greifen kann.

Bei der reinen Sortierung gehen die beiden Kästen des Hauptsortenpackers nach ihrer Befüllung zur Portal-Palettierung. Hinzu kommen die Träger, die bereits im Zulauf zu 100 Prozent mit den richtigen Flaschen bestückt sind. Diese werden von der Kastenerkennung ausgeschleust, also nicht sortiert, sondern direkt zum Palettierer geführt.


Sonderlösung verhindert Mischpaletten der Hauptsorten

Dass die drei Kastenströme nicht zu bunten Mischpaletten führen, verhindert ein zusätzlicher Kastenstopper. Dieser schleust die Träger erst dann ein, wenn sie eine vorgegebene Anzahl erreicht haben. Diese quasi Sortierung ermöglicht, dass der Portal-Palettierer Hauptsorte 1 und 2 einschließlich ihrer jeweiligen Gutkästen immer eindeutig und damit fehlerfrei unterscheidet. Eine Lösung, welche die ursprüngliche Planung nicht vorsah. Sie wuchs mit der Umsetzung.

Wichtig für die störungsfreie Funktion einer Sortieranlage ist weiterhin das Management der Überschusskästen. Diese entstehen in einer Sortieranlage zwangsweise, weil Flaschen aussortiert werden. Dieser Überschuss an Leerkästen kann den Anlagenlauf massiv stören. Beispielsweise wenn der Auspacker aufgrund gestauter Leerträger keine Flaschen mehr zum Auspacken vorfindet. Verhindert wird das, indem ein Pusher die detektierten Leerkästen automatisch auf eine separate Pufferstrecke ausleitet.

Die vier frei definierbaren Nebensorten laufen zum Nebensorteneinpacker, der sie je nach Anfall in die entsprechenden Träger einsetzt. Die vollen Kästen werden abschließend händisch palettiert.

Diese freie Parametrierbarkeit der Nebenflaschensortierung ist ein zweiter ganz wesentlicher Aspekt der Zukunftsfähigkeit einer Sortierstraße. Denn es werden eher mehr denn weniger Flaschen auf den Markt kommen. Wie auch bei diesem Projekt: Vor der Inbetriebnahme gab es vier klar definierte Nebensorten. Aufgrund einer Produktneueinführung eines großen Wettbewerbers tauchte aber immer häufiger eine Fremdflasche im Leergut auf, die aufs so genannte Lumpenband gefahren wurde. Und zwar in sehr hohen Stückzahlen. Folgerichtig wurde im Laufe der Inbetriebnahme die Sortierung dahingehend umgestellt, dass dieser neue Flaschentyp automatisch sortiert und dafür eine eigentlich vorgesehene Nebensorte zum Lumpenband geleitet wird. Dazu sind im Wesentlichen nur die in der Flaschenerkennung hinterlegbaren Erkennungsprogramme entsprechend zuzuordnen, was der Bediener sehr einfach und jederzeit ausführen kann.


BMS Nebensortenpacker mit eigens entwickelten Magazin Dem Nebensortenpacker werden die entsprechenden Leerkästen von einem eigens entwickelten Magazin automatisch zugeführt.
Kastenmagazin und Pfandwertermittlung als echtes Neuland

Das Kastenmagazin ist mit einer eigenen Linearachse inklusive Achssteuerung ausgestattet. Der Nebensortenpacker meldet dem Magazin in Abhängigkeit der von der Flaschensortierung festgestellten Anzahl der Flaschentypen den benötigten Kasten. Nachfolgend führt das Kastenmagazin den jeweiligen Kasten 1,2,3 oder 4 dem Nebensortenpacker mit seiner Linearachse aktiv zu.

 

 


Zusätzlich galt es eine so genannte Pfandwertermittlung zu integrieren. Diese war kundenseitig vorgegeben und sollte erstmals außerhalb eines Pilotprojekts umgesetzt werden. Die Idee hinter dieser Pfandwertermittlung ist ebenso nachvollziehbar wie komplex: Automatisch den Sortiergrad jedes Kastens bestimmen und zur Leergutquelle rückverfolgen.

Um diese Aufgabe zu lösen, wurde die Kastenerkennung um eine Kamera erweitert. Soweit zum leichten Part: Denn die Kamera muss auch wissen, wen oder was sie fotografiert. Dazu wurde in der Palettenaufgabe eine Schnittstelle zum Staplerleit- und Lagerverwaltungssystem eingerichtet. Wird die Palette auf die Fördertechnik aufgegeben, bekommt die Kastenerkennung über diese Quelle die Informationen: Palettenherkunft, Palettennummer, Anzahl der Kästen sowie deren Lagebild. Von jedem vereinzelten Kasten wird nachfolgen ein Bild aufgenommen, dieses mit der Leergutinformation verheiratet und alles zusammen archiviert. So wird transparent und eindeutig dokumentiert, über welche Sortierqualität jeder einzelne Kasten eines Lieferanten verfügt. Selbstverständlich ist der Datenverkehr keine Einbahnstraße. Die Ergebnisse der Pfandwerterkennung gehen zurück ins Lagerverwaltungssystem und von dort in die übergeordnete ERP-Ebene, um für vielfältige Analysen bereitzustehen.


Drei weitere Umpack- und Umsetzprogramme

Zurück zur Multifunktionalität der Anlage: Zum kombinierten Umpacken und Sortieren sowie dem reinen Sortieren addieren sich noch drei weitere Möglichkeiten. Als erstes ein Umpackprogramm von 0,5-l-Vollgut aus dem 20er-Kasten in einen 20er-Karton ohne Sortierung, zweitens ein Umsetzprogramm für 20 x 0,5-l-Leergut sowie drittens ein Umsetzprogramm für 24 x 0,33-l-Leergut. Bei diesem Kastentausch werden brauereieigene Flaschen aus Fremdträgern in die eigenen zurückgesetzt.


Vereinbarter Funktions-, Zeit- und Kostenrahmen vollumfänglich erfüllt

Die Auftragserteilung für die kombinierte Umpack- und Sortieranlage erfolgte Ende Juni 2016. Die Abwicklung geschah mit Blick auf die Anlagentechnik schlüsselfertig. BMS verantwortete neben Planung und Eigenfertigung also auch den Zukauf beispielsweise der Inspektions- und Antriebstechnik. Diese fremdbezogenen Anlagenteile wurden zusammen mit den kundenseitig gestellten physisch und steuerungstechnisch eingebunden.

Ein wesentlicher Faktor dafür, dass das Projekt „in time“ beendet werden konnte, ist die von BMS durchgeführte Inhouse-Abnahme. Das heißt, jede Maschine kommt bereits mit ihrer spezifizierten Grundfunktion zum Kunden. Und auch erst während der Projektierung erkannte notwendige Nachrüstungen oder gewünschte Ergänzungen sind viel einfacher umzusetzen, wenn sich die Maschine noch beim Hersteller befindet und nicht als Einzelteile auf der Baustelle steht.

Im Mai 2017 war es dann soweit - die Anlage ging in den dauerhaften Dreischichtbetrieb. Was folgte, war gleich der erste Härtetest. Das angestaute Leergut musste abgearbeitet werden, denn in der Aufbauphase war die Halle ja nicht mehr zum Sortieren zu nutzen. Diese Herausforderung wurde mit Bravour gemeistert.

Heute läuft die Anlage weiterhin rund um die Uhr, und zwar von Sonntagnacht bis Freitagabend. Ihre Hauptaufgaben sind dabei das Umpacken und Sortieren. Aber auch das Umsetzten des Vollguts ist ein immens wichtiger Bestandteil. Mehrmals die Woche wird diese Möglichkeit genutzt, meistens ebenfalls in drei Schichten. Aber egal, welche Aufgabe die Anlage gerade erledigt. Eins bleicht gleich: Die Zeit der reinen Handarbeit ist Geschichte. Verständlich, dass man in der Sortierhalle mit Blick auf die Arbeitserleichterung immer wieder den Satz hört: „Wir sind froh, sie jetzt endlich zu haben.“

Viel Herzblut, Erfahrung, Können und Schweiß waren also zur Realisierung dieser kombinierten Umpack- und Sortieranlage notwendig. Aber es hat sich gelohnt. Für den Kunden – der vereinbarte Funktions-, Zeit- und Kostenrahmen wurde vollumfänglich erfüllt. Bei der Größenordnung und Komplexität dieses Projekts eine wirklich beachtenswerte Leistung. Und auch für BMS: Parallel zur Inbetriebnahme startete bereits ein vergleichbares Projekt an einem zweiten Konzernstandort. Das ist „win win“ in Reinkultur.

 

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